Geld in einer Gruppe gerecht aufzuteilen ist ein herausforderndes Unterfangen. Die Methode “Geldbrunnen” bietet einen sehr interessanten Prozess, um zu einem gemeinsamen, für alle tragbaren Ergebnis zu kommen. Vor einigen Monaten habe ich die Methode erfolgreich eingesetzt, um ein paar Tausend Euro als Honorare auf ein sechs-köpfiges Team für die Organisation der Tagung „der nächste Crash als Chance“ zu verteilen. Da wir im Team begeistert waren, wie effektiv sich damit das Geld auf Augenhöhe aufteilen ließ, sodass alle für ihren Beitrag angemessen gewürdigt und gesehen wurden, möchte ich die Methode weiterverbreiten und nachfolgend anhand unserer Erfahrung vorstellen.
Die Grundidee: Der verfügbare Geldbetrag, der auf Personen einer Gruppe oder verschiedene Projekte oder Töpfe aufgeteilt werden soll, wird in Form von Spielgeld in die Mitte eines Tisches gelegt. Die beteiligten Personen setzen sich darum, reflektieren über Prinzipien für eine gerechte Aufteilung und teilen das Geld in mehreren Runden auf, bis eine für alle akzeptable Aufteilung erreicht ist.
Genaues Vorgehen
1) Die Gruppe beginnt mit einer gemeinsamen Klärung der Prinzipien, nach denen das Geld verteilt werden soll. In unserem Fall hatten wir darüber bereits beim Projektstart einige Monate zuvor geredet. Dort hatten wir auch bereits über Vorstellungen zu Honoraren geredet, sodass diese Infos bereits für alle transparent waren und es keine bösen Überraschungen über unrealistische Vorstellungen mehr geben konnte.
Unsere Aspekte, die bei der Verteilung Berücksichtigung finden sollten waren:
a. Eingesetzte Zeit und Energie
b. Eingebrachte Erfahrung und Expertise
c. Übernommene Verantwortung
d. Persönlicher Bedarf
2) Es folgt eine Runde, in der jede Person die eigene Situation bezogen auf diese Kriterien darlegt - wie viel Zeit und Energie hat man eingebracht, wie viel Verantwortung übernommen, wie steht man finanziell da etc.
3) Als nächstes gibt es eine Austauschrunde über potentielle Bedenken, Trigger und Ängste bezogen auf den anstehenden Verteilungsprozess , z.B. zu Angst vor einem ungerechtem Ergebnis, anderen mehr geben zu wollen als da ist oder dem Tabu, sich selber Geld zu nehmen. Der Vorteil ist, dass Spannungen, die sowieso da sind, dadurch für alle sichtbar werden, somit transparent und greifbarer werden und an destruktivem Potential verlieren.
4) Dann geht es los mit dem Hauptteil des “Geldbrunnens” in der das verfügbare Geld in der Tischmitte liegt und verteilt wird. Wir hatten ca. 5000€ Monopoly Geld (wobei richtiges Geld auch witzig gewesen wäre). Dazu beginnt eine Person (z.B. die jüngste oder älteste) und darf einen frei wählbaren Geldbetrag aus der Mitte nehmen zu einer oder mehreren Personen legen. Wenn mehrere Personen begünstigt werden, dann muss für alle der gleiche Betrag gewählt werden. Jede Aktion kann, aber muss nicht begründet werden. Beispielsweise wird dann allen Personen 50€ gegeben mit der Begründung, dass alle ein tolles Team waren und das gemeinsam gewürdigt werden soll oder es werden einer Person 100€ gegeben, weil diese das Projekt gestartet hat.
Dann geht es im Kreis mit der Geldverteilung weiter und jede Person macht reihum einen “Zug”. Das Geld darf nicht nur aus der Mitte, sondern auch vom eigenen Geldvorrat (der natürlich erst entsteht) oder von den anderen Teilnehmenden genommen und verteilt werden und natürlich darf man auch sich selber begünstigen. Ist man am Zug, darf man auch aussetzen oder seinen Konsent mit der aktuellen Verteilung ausdrücken, indem man einen ausgestreckten Daumen zeigt. Konsent heisst, man kann mit der aktuellen Verteilung gut leben und möchte nichts verändern. Nach jeder vollständigen Runde werden die aktuellen Beträge aller Teilnehmer ausgezählt und laut genannt. Dann geht es in die nächste Runde. Der Geldbrunnen geht mehrere Runden, bis niemand mehr etwas verändern will und alle Spielenden ihren Konsent zur aktuellen Verteilung geben. Der Anspruch kann dabei jedoch nicht sein, die perfekte und absolut faire Verteilung des Geldes zu finden, denn diese gibt es nicht. Es ist unmöglich, den Wert der individuellen Beiträge objektiv durch Geld zu bewerten. Viele Dinge lassen sich nun mal nicht angemessen quantifizieren, da es keine angemessene Zahl gibt, welche der Sache gerecht werden kann (wie bei Liebe, Freundschaft und eben auch Engagement, das von Herzen kommt). Die Notwendigkeit, das jeweilige Engagement über Honorare zu quantifizieren ist daher prinzipiell eine problematische Sache und diese Spannung gilt es anzuerkennen. Konsent kann auch wieder zurückgenommen werden, da sich die Verteilung danach ja wieder ändern.
Unsere Ergebnisse und Erfahrungen
Wir kamen nach fünf Runden bereits zu einem Ergebnis, mit dem alle zufrieden waren und dazu ihren Konsent gaben. Die Honorar-Verteilung war ziemlich heterogen und reichte von 2100€ bis 350€, was aber angesichts der berücksichtigten Aspekte für alle stimmig war. Die letzten beiden Runden waren nur noch Feintuning und 10€ oder 20€ wurden noch hin und hergeschoben. Teils bekam eine Person einen Betrag, gab diesen einer anderen und diese gab ihn wieder zurück. Dieses Feintuning schien aber wichtig, damit nochmal alles “gesehen” und gewürdigt wurde, was die Beteiligten in dem Projekt eingebracht haben und was für eine faire Verteilung relevant war.
Interessanterweise wurde mehrfach berichtet, dass gerade geplante Züge von anderen in identischer Weise vorweggenommen wurden (“Ich wollte auch gerade Person X für den besonderen Einsatz bei Y etwas geben”). Wir hatten daher den Eindruck, dass ein sehr ähnliches Ergebnis auch bei Abwesenheit von einer oder mehreren Personen zustande gekommen wäre und andere dann deren Züge übernommen hätten.
Prinzipiell können auch weitere Projekte oder abwesende Personen einen Posten am Tisch bekommen. In unserem Fall war tatsächlich eine am Projekt beteiligte Person nicht physisch dabei und am Ende riefen wir sie an und fragten dann auch nochmal, ob sie mit der Verteilung einverstanden sei. Wenn mehr Geld übrig gewesen wäre, hätten wir ggf. auch Geld an zukünftige Projekte oder unsere Dachorganisation verteilt. Die Methode lässt sich also an verschiedenste Setups und Gruppierungen anpassen.
Fazit
In der Reflexion danach waren wir uns einig, dass es keine bessere Methode für uns gegeben hätte, um das Geld zu verteilen. Der Prozess war nicht immer nur angenehm, sondern konfrontierte einen mit herausfordernden Entscheidungen. Es galt schließlich, Spannungen anzusprechen, innere Prozesse und Gedanken transparent zu machen und eben auch Verantwortung für eine gerechte Verteilung zu übernehmen. Das ist nicht nur einfach. Andere Verteilungsprozesse wären jedoch nur noch unangenehmer gewesen. In einer klassischen Organisation hätte ich als Projektleiter wahrscheinlich einfach über die Verteilung entschieden. Da alle Beteiligten primär aus intrinsischer Motivation dabei waren und nicht von mir für Geld eingestellt, wäre es jedoch sehr komisch und unstimmig gewesen, wenn ich einfach über die Köpfe hinweg entschieden hätte. Zudem war zu Projektbeginn unklar, wie viel Budget am Ende übrig bleibt, sodass feste Honorare gar nicht möglich gewesen wären. Ohne das Vertrauen, dass am Ende schon irgendwie etwas Geld aus dem Projekt für Organisationshonorare übrig bleiben würde und wir das dann gemeinsam gerecht aufteilen, wäre das Team gar nicht zusammengekommen.
Mit dem Geldbrunnen kamen wir zu einer Verteilung, die auf Augenhöhe entstanden war und von allen abgesegnet wurde. Viel Wertschätzung wurde dabei ausgedrückt und die vielen komplexen Kriterien für eine faire Verteilung wurden gesehen und berücksichtigt. Der Prozess schien damit sehr stimmig für unser intrinsisch motiviertes Projekt und ich kann sehr empfehlen, diese Methode bei vergleichbaren Projekten mit einer Haltung des neugierigen Experimentierens mal auszuprobieren.